Rückblick SGES 2023: Wie gemeinsam Wirkung erzielt werden kann

Vom 5. bis 7. September 2023 fand in Winterthur erneut das Swiss Green Economy Symposium (SGES 2023) statt. Bei der nunmehr 13. Durchführung trafen sich erneut zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu einem Austausch über nachhaltige Wirtschaft. Das diesjährige Motto lautete: Gemeinsam mehr Wirkung erzielen.

Angeregte Diskussion auf dem Podium des SGES 2023: Sonja Hasler (Moderatorin), Christoph Brand (Axpo), Nationalrätin Martina Munz und Alexander Keberle (economiesuisse), v.l.n.r. (Bild: Thomas Berner)

Das Erreichen von Netto Null bis 2050 entwickelt sich zu einem Treiber von Wirtschaft und Politik. Es wird inzwischen viel unternommen. Noch scheint es aber, dass diesbezüglich vieles in Form von Einzelinitiativen erfolgt. So gesehen war das Motto des diesjährigen Swiss Green Economy Symposium als Aufruf zu verstehen, Kräfte zu bündeln, um eben gemeinsam mehr Wirkung zu erzielen. In 9 Keynotes, in 16 Innovationsforen zu unterschiedlichen Themen und in einer Innovationsausstellung wurde «Green Economy» mit den 17 UNO-Nachhaltigkeitszielen als Grundpfeiler dem Publikum nähergebracht.

Nimby, Banana, Cave: Wie Wirkung verhindert wird

Dass man anstehende Probleme – und davon gibt es viele – nur gemeinsam lösen kann, darüber dürften sich die Anwesenden – nach Angaben der Veranstalter rund 2000 Teilnehmende und 250 Referierende – einig gewesen sein. Über das «Wie» gibt es nach wie vor unterschiedliche Positionen: Während die einen auf mehr Selbstverantwortung setzen, wünschen sich andere mehr Interventionen durch den Staat. Exemplarisch die Diskussionen zum Thema Energie, wo ein nur schwer lösbares Trilemma besteht: Netto-Null-Ziel erreichen bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungssicherheit zu möglichst tiefen Kosten. Adrian Stiefel, Leiter des Amts für Umweltschutz der Stadt Bern zeigt auf, dass es einerseits nicht ohne klare Reglementierung geht, anderseits aber alle Akteure eingebunden werden müssen. Und das scheint zu funktionieren: 2021 versorgte sich Bern bereits zu 85 Prozent mit erneuerbarer Energie.

Doch es bleiben noch viele Hürden. Christoph Brand, CEO von Axpo, umschrieb diese mit drei Akronymen: «Nimby» (not in my backyard), «Banana» (build absolutely nothing anywhere near anybody) und «Cave» (citizens against virtually everything), womit er unschwer die in seinen Augen grassierende Einsprachepolitik etwa gegen die Erstellung von Windturbinen aufs Korn nahm. Ein Vorwurf, den SP-Nationalrätin Martina Munz so nicht stehen lassen wollte: «Wir tun sehr viel in Bern» sagte sie dazu und verwies auf den kürzlich verabschiedeten Solar- und Wind-Express, einem Massnahmenpaket für einen beschleunigten Zubau mit Solar- und Windkraftanlagen mit nur einmaliger Einsprachemöglichkeit. Ob das nun die Energiewende ermöglicht? Skeptisch zeigte sich diesbezüglich Alexander Keberle von economiesuisse: «Es reicht hinten und vorne nicht». Er betonte dabei die Notwendigkeit, die Atomkraftwerke noch so lange wie möglich zu betreiben und nicht den gleichen Fehler wie Deutschland zu begehen, das nun wegen der Abschaltung von AKWs mehr Strom aus Kohle produzieren müsse und sogar auf Importe angewiesen sei.

Die Podiumsdiskussion zeigte indes, dass sich die Positionen auch annähern. Dass man mit dem Bau von Solaranlagen und Stromspeichern vorwärts machen muss, damit kurzfristig eine drohende Stromlücke vermieden werden kann, herrscht weitgehend Konsens. «Wir müssen nun dort vorwärts machen, wo man sich einig ist, und nicht über Differenzen diskutieren», so das Fazit von Christoph Brand. Oder eben: Gemeinsam mehr Wirkung erzielen…

Nachhaltigkeitsziele erreichen: Es geht nicht ohne Daten

Grossunternehmen wie BASF stehen in Sachen Klimaschutz bekanntlich unter genauer Beobachtung. Lars Kissau, ebendort verantwortlich als «Net Zero Accelerator» machte deutlich, dass grosse wirtschaftliche Player ihre Netto-Null-Ziele nicht ohne Kooperationen mit Partnern erreichen können. Diesbezüglich appellierte er auch an die internationale Politik: Er wünschte sich eine verbesserte Kooperation zwischen der Schweiz und der EU, aber auch einen Abbau von Barrieren innerhalb Europas, etwa bei der Energieversorgung und bei Forschung und Entwicklung. Wie fruchtbar eine solche Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg sein kann, erwähnte etwa Tanja Zimmermann, Direktorin der Empa. «Dank Unternehmen wie BASF haben wir nun doppelt so viele Projekte an er Empa». Der Wille der Unternehmen, vorwärts zu machen, sei also da. Technologie-offene Rahmenbedingungen seien eine Voraussetzung dafür, wie Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen Partei, einräumte. International unterschiedliche CO2-Gesetze könnten hier wettbewerbsbehindernd wirken.

Herausforderung: Ohne Daten kein wirksames ESG-Reporting. (Bild: Thomas Berner)

Technologie-Offenheit kann ebenfalls als Voraussetzung gelesen werden, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Nur: Die Podiumsdiskussion zu diesem Thema zeigte, dass zuerst noch viele diffuse Ängste – etwa vor künstlicher Intelligenz – abgebaut werden müssen. «Die Herausforderung liegt nicht auf technologischer, sondern auf gesellschaftlicher Seite», so Prof. Matthias Sulzer, leitender Wissenschafter am Urban Energy System Lab der Empa. Daten seien aber nun mal notwendig, um etwa die Wirkung von ESG-Massnahmen zu messen, betonte Christian Keller, Vorsitzender der Geschäftsleitung von IBM Schweiz.

Viel Konkretes am SGES 2023

Abseits der geführten und noch zu führenden Grundsatz-Diskussionen gab es am SGES 2023 wiederum viele Beispiele, wie nachhaltige Wirtschaft konkret funktioniert. So wurden an der Ausstellung Lösungen aus Bioplastik (Kuori) vorgestellt oder ein Kreislaufwirtschafts-Konzept für Kinderwagen (loopi) präsentiert. Und auch dieses Jahr wurde der SDG-Award für Unternehmen vergeben. Mit dem SDG-Award zeichnet das Swiss Green Economy Symposium Lösungen und Projekte aus, die richtungsweisend die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen umsetzen. Mit dem Preis sollen Akteure zu mutigem Engagement inspiriert und innovative Projekte mit Vorbildfunktion gefördert werden. Prämiert wurde dieses Jahr die Zürcher Designfirma Circleg prämiert. Circleg hat ein kostengünstiges Beinprothesensystem, dass auf die Bedürfnisse von Menschen in Entwicklungsländern zugeschnitten ist. Denn von den weltweit 65 Millionen Menschen mit amputierten Beinen leben die meisten in Ländern des Südens. 55 Millionen haben keine Prothesen, weil sie zu teuer sind. Durch die Verwendung von rezyklierten Kunststoffabfällen in Kombination mit der Produktion vor Ort in den Ländern des Südens können dank Circleg Beinprothesen lokal und kostengünstig hergestellt werden. Das Unternehmen verbindet somit soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele: Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen in die Gesellschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen, Schonung der Umwelt durch Verwendung von Kunststoffabfällen als Grundrohstoff.

Noch etliche Fragen offen

Die «Grüne Wirtschaft» ist unbestritten in den Köpfen angekommen. Dennoch bleiben viele Fragen offen, das zeigte auch das SGES 2023. Etwa: Wie kann Ernährung nachhaltiger werden, wenn paradoxerweise jene Nahrungsmittel günstiger sind, die eben (noch) nicht nachhaltig erzeugt werden? Oder: Wie funktionieren nachhaltige Finanzierungsinstrumente und mit welchen nachhaltigen Anlagen lassen sich Renditen erzielen, ohne dass man da zu intransparenten strukturieren Finanzprodukten greifen muss? Und was können eigentlich KMU tun, um die Klimaziele zu erreichen? Antworten auf diese Frage liefern kann zumindest die im letzten Jahr ins Leben gerufene Swiss Climate Action Initiative (SCAI), eine gemeinsame Plattform von Grossunternehmen, KMU und weiteren Organisationen. Die Community will insbesondere KMU in ihren ersten Schritten zur CO2-Reduktion begleiten und bestärken. Durch den Dialog und die Nutzung von Synergien zwischen den Mitwirkenden sollen sowohl unternehmenseigene wie auch gemeinsame Projekte entstehen, welche helfen, die CO2-Reduktionsziele zu erreichen. Dieser Plattform – ebenfalls ein Beispiel für «Gemeinsam Wirkung erzielen» – ist gewiss noch etwas mehr Resonanz zu wünschen.

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