Junge Händler wollen mehr Nachhaltigkeit im internationalen Handel

360 Nachwuchskräfte haben kürzlich die KV-Lehre Branche Handel abgeschlossen. Eine Umfrage des Dachverbands zeigt: Nachhaltigkeit ist für die frisch gebackenen Händler und Händlerinnen wichtigstes Thema im internationalen Handel.

Wünschen sich mehr Nachhaltigkeit: Junge Fachkräfte im Handel. (Bild: Handel Schweiz)

1’400 junge Leute haben sich für die KV-Lehre Branche Handel entschieden. Die Aus- und Weiterbildung der jungen Händler und Händlerinnen zählt zu den Schwerpunkt-Leistungen von Handel Schweiz. Anlässlich der Ehrung der «Besten Lernenden 2022» erklärte Direktor Kaspar Engeli: «Ausser der Grundbildung widmen wir uns auch den Weiterbildungen, zum Beispiel im Aussenhandel oder im E-Commerce. Wir sind überzeugt: Nur mit einer hohen Qualität in der Bildung und guten Ausbildungsbetrieben kann sich die Branche dem wachsenden Fachkräftemangel stellen». Doch wie beurteilen die Nachwuchskräfte die Lehre im Handel? Und welche Herausforderungen sehen sie auf ihre Branche zukommen? Um mehr darüber zu erfahren, hat der Dachverband in den diesjährigen Abschlussklassen der KV-Lehre Branche Handel eine Umfrage durchgeführt.

Morgens China, nachmittags Panama

57 % der befragten Noch-Lernenden findet den Handel als Branche interessant. 40 % schätzt die hohe Qualität der Aus- und Weiterbildung und will das gewonnene Wissen später vertiefen. 16 % nannte eine zukünftige Führungsposition als Ziel. Knapp ein Drittel der neuen Händler und Händlerinnen fasziniert die Abwechslung im Handel. Während der Lehre konnten die Nachwuchskräfte mehrere Monate im Einkauf, Verkauf, Rechnungswesen, Kundendienst und im Marketing mitarbeiten. Vier der «Besten Lernenden 2022» haben im Interview geschildert, zu welchen Erkenntnissen sie dabei gekommen sind.

Jil Bachmann etwa hat ihre Lehre bei der in der Medizinaltechnik tätigen Stöckli Group in Oberkirch abgeschlossen. Mit der betrieblichen Note 5,8 liegt sie auf dem ersten Rang. Für sie machen die «international surroundings» den Alltag besonders abwechslungsreich, wie sie anschaulich erklärt: «Morgens tausche ich mich mit China aus, bevor meine Ansprechpartner schlafen gehen. Mit Panama habe ich am Nachmittag zu tun, denn dort stehen sie erst um 15 Uhr Schweizerzeit auf», erklärt sie lachend. Die 28-Jährige hat sich nach dem Studium der Politik, Wirtschaft und Geografie für eine verkürzte KV-Lehre plus entschieden, denn kein anderes Angebot passte zu ihren Interessen. Mit ihrer Wahl ist sie sehr zufrieden. Sie freut sich auf die weitere Tätigkeit beim Arbeitgeber und die Weiterbildungen in der Medizinaltechnik. Internationale Herausforderungen im Handel gibt es ihrer Meinung nach einige. Dazu zählt auch die Nachhaltigkeit: «Hier ist noch viel Luft nach oben! So gibt es in der effizienten Gestaltung der Lieferketten einen grossen Nachholbedarf. Da muss der Handel schnellstens dahinter!» Die Einschätzung von Jil Bachmann deckt sich mit den Gesamtergebnissen der Umfrage. Für 28 % der befragten Lernenden stellt die Nachhaltigkeit die grösste Herausforderung im internationalen Handel dar. Kein anderes Thema erhält so viele Nennungen.

Mehr Nachhaltigkeit bei Verpackungen

Auch Laila Lomello findet das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig, wie sie betont: «Die Jugend legt Wert auf nachhaltige Verpackungen oder Materialien bei den Produkten.» Das konnte die 22-Jährige während ihrer Erstlehre im Detailhandel feststellen, als sie den direkten Kundenkontakt pflegte. Diese Erfahrungen und die Freude an der täglichen Abwechslung haben sie motiviert, sich mehr Wissen über die Herkunft der Artikel, die Lieferketten und Preisgestaltungen anzueignen. So folgte bei ihrem Arbeitgeber Interdiscount in Jegenstorf eine Zweitlehre im KV Branche Handel. Diese hat sie mit der betrieblichen Note 5.5 abgeschlossen und liegt damit auf dem zweiten Rang. Auch in Zukunft will sie nicht stehen bleiben. Weiterbildung ist eines ihrer persönlichen Ziele.

Der 18-jährige Thomas Stjelja wiederum wollte seine Fremdsprachenkenntnisse nicht nur in der Freizeit nutzen und entschied sich deshalb für die Lehre im Handel. Kurz nach dem Abschluss hat er eine Weiterbildung zum Dipl. Betriebswirtschafter begonnen. Am Handel findet er die wichtige Funktion in der Gesellschaft spannend, beispielsweise bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Auch er ist überzeugt, dass bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit noch viel Potenzial besteht. Er wird deutlich: «Zwar wird Nachhaltigkeit vielerorts grossgeschrieben, doch noch zu oft handelt es sich dabei um Bekenntnisse auf dem Papier». Auch er ist mit der betrieblichen Note 5.5 und dem zweiten Rang einer der sechs «Besten Lernenden» KV-Lehre Branche Handel. Seine Ausbildung hat er bei der SFS-Gruppe absolviert, einem weltweiten Anbieter von Präzisionsformteilen und mechanischen Befestigungssystemen. Sie erfüllen oft unsichtbar erfolgskritische Funktionen in technischen Geräten wie Autos, Smartphones oder Flugzeugen.

Die Schweiz als Insel

Dounia Schmid verspürte als Teenager keine Lust aufs Gymnasium. Stattdessen hat sie eine Lehre bei Audemars Piquet in Le Brassus angefangen. Die 1875 gegründete Uhrenmanufaktur erwirtschaftet mit 800 Mitarbeitenden, davon 610 in der Schweiz, einen Jahresumsatz von CHF 1,58 Mrd. Jährlich werden an den drei Schweizer Standorten Le Brassus, Le Locle und Meyrin rund 45’000 Uhren der obersten Preisklasse hergestellt. Die 19-Jährige ist stolz auf ihre betriebliche Note 5,5 und den 2. Rang der «Besten Lernenden». Sie freut sich darauf, sich nun im international erfolgreichen Unternehmen weiterentwickeln zu können. Sie ist überzeugt: «Die Schweiz ist als kleines Land auf gute internationale Kontakte angewiesen. Dabei kommt es auch darauf an, die Nachhaltigkeit noch besser zu leben und sich sehr zu Herzen zu nehmen.»

Dounia Schmid liegt mit ihrer Einschätzung auf der Linie der Umfrageergebnisse. Die diesjährigen Absolventinnen und Absolventen KV-Lehre Branche Handel nannten die sich verändernden Märkte als zweitwichtigste internationale Herausforderung. Dabei können die Schweizer Händler ihre Stärken ins Spiel bringen. Nach Sicht von Jil Bachmann zählen dazu die gute Reputation und Vernetzung der Schweiz. Die fehlende Mitgliedschaft in der EU verkompliziere jedoch den Import und Export und mache den Schweizer Handel unflexibel, findet sie. Flexibilität zähle aber zu den Grundvoraussetzungen in der Globalisierung. Für die Zukunft sieht sie in den weitgehend fehlenden Rohstoffen der Schweiz eine weitere grosse Herausforderung. Der Aussenhandel sei für die Schweiz zentral, meint Jil Bachmann, denn «wir sind eine isolierte Insel und auf den Import angewiesen. Er ist für viele Unternehmen wichtiger als der Handel im Binnenmarkt.» Dem kann Thomas Stjelja nur zustimmen: «Der Aussenhandel hat einen grossen Einfluss auf den Wohlstand der Schweiz. Das gilt für den Export wie für den Import.»

Arbeitgeber müssen sich immer wieder benchmarken

Ueli Stursberg, als erster Sekretär von Handel Schweiz für die Leitung der Bildung verantwortlich, fasst zusammen, was die Ergebnisse der Umfrage für die Arbeitgeber bedeuten: «Mitarbeitende interessiert das Gehalt, der Arbeitsinhalt und die Identifikation mit der Tätigkeit. Arbeitnehmende bleiben so lange im Unternehmen, wie das Gesamtpaket stimmt – jedoch wird heute viel rascher als früher gewechselt. Arbeitgeber im Handel müssen sich somit auch immer wieder benchmarken.»

Quelle: Handel Schweiz

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