Europas Unternehmen hinken bei digitalen Geschäftsmodellen den eigenen Ansprüchen hinterher

Die europäische Industrie überschätzt ihren digitalen Reifegrad. Denn obwohl sich acht von zehn Unternehmen bereits als digitales Industrieunternehmen bezeichnen, zeigt ein Blick hinter die Kulissen: Die Nutzung und Analyse wichtiger Produkt- und Prozessdaten wird vernachlässigt oder ist aufgrund inkompatibler Systeme noch gar nicht möglich.

Selbstüberschätzung: Viele europäische Unternehmen bezeichnen sich als „digital“, sind es in Tat und Wahrheit aber noch lange nicht. (Grafik: Aras)

Eine kürzlich veröffentlichte Industrie-Studie zeigt, dass Europas Unternehmen bei digitalen Geschäftsmodellen den eigenen Ansprüchen noch hinterher hinken. Für die Ende 2022 durchgeführte Studie „Europas Industrie im Wandel“ wurden Im Auftrag der Produkt-Innovations-Plattform Aras 442 Führungskräfte in 19 europäischen Ländern befragt. Die Umfrageteilnehmer sind in Unternehmen mit einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro in den Branchen Automobil, Luftfahrt & Verteidigung, Maschinenbau, Medizintechnik, Chemie, Pharma und Nahrungsmittel beschäftigt.

Der Wunsch ist Vater des Gedankens bei digitalen Geschäftsmodellen

Das in der Untersuchung zu Tage gelegte verzerrte Selbstbild sei gefährlich und schränke den Handlungsspielraum ein, monieren die Studienautoren. Dabei stünden die Unternehmen unter hohem Anpassungsdruck. Neun von zehn Industriebetrieben erwarten, dass sich ihr Geschäftsmodell in den kommenden Jahren weiter verändern wird. „Die wachsende Menge an Daten im unternehmerischen Alltag führt offenbar zu einer Selbstüberschätzung“, sagt Jens Rollenmüller, Geschäftsführer von Aras Deutschland. „Wenn sich 82 Prozent der Studienteilnehmer bereits als digitales Industrieunternehmen bezeichnen, ist hier wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens.“ Das Stimmungsbild sei zu positiv und blende die bisherigen Versäumnisse aus. „In der Realität sind die Unternehmen noch nicht so weit. Sie verstehen unter Digitalisierung oft nur eine breite Datensammlung oder den digitalen Versand von Daten. Die tatsächlichen Möglichkeiten bis hin zu neuen, digitalen Geschäftsmodellen werden aber noch nicht ausgeschöpft“, so Industrie-Experte Rollenmüller weiter.

Vorhandene und neue Daten analysieren und miteinander in Beziehung setzen

Zwar sagen 78 Prozent der Befragten, dass jeder in ihrem Unternehmen Zugriff auf die Produktdaten habe, die er für seine Arbeit benötige. Gleichzeitig räumen aber 62 Prozent eine schlechte Qualität dieser Daten ein. Und 79 Prozent beklagen eine Silostruktur, also dass die Informationen in abgeschotteten Systemen an verschiedenen Stellen im Unternehmen liegen. Aras-Geschäftsführer Rollenmüller sieht die Industrie daher erst am Anfang ihrer Digitalisierungsreise: „Um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen versteckte Potenziale heben. Das gelingt nur, wenn vorhandene und neue Daten analysiert und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Das setzt digital abgebildete Produkte und Lieferketten voraus, die im nächsten Schritt dann zu einem echten digitalen Zwilling weiterentwickelt werden können.“

Nach Ansicht von Branchenkenner Rollenmüller müssen die Unternehmen die Versäumnisse der Vergangenheit so schnell wie möglich aufholen. Denn die anstehenden Veränderungen setzen die Branche unter hohen Transformationsdruck. So gehen 87 Prozent der Befragten davon aus, dass sich ihr Geschäftsmodell in den nächsten Jahren weiter verändern wird. Jens Rollenmüller: „Der Wandel ist in vollem Gange. Immer mehr Unternehmen setzen bereits auf eine moderne Produktwelt. So bieten laut unserer Studie 36 Prozent der Unternehmen bereits PaaS-Lösungen (Product-as-a-Service) an, 35 Prozent befinden sich in der Umsetzungsphase dazu und 15 Prozent planen dies.“

Quelle: Aras

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