Was bedeutet eigentlich… «Kommis»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal behandelt er den Begriff «Kommis».

Diese Verkürzung war schon während des kalten Krieges niedlich. Obwohl die Kommis damals die Bösen waren. Und sie sind es auch heute noch. Damals stand Kommis noch für Kommunisten. Heute gibt es kaum noch welche. Und die, die es noch gibt, leben und wirken in entfernten und exotischen Ländern. Trotzdem ist das Wort wieder sehr populär. Aber mit anderer Bedeutung und Herkunft.

Kommis sind heute keine Gläubigen einer politisch-ökonomischen Ideologie, die auf der Abschaffung des Privateigentums und der Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft basiert, in der Güter gemeinschaftlich gehalten und gemäss den Bedürfnissen verteilt werden. Mit Kommis sind heute vorwiegend Felder gemeint, die in den digitalen Medien am Ende des Artikels mit einem herzigen Sprachbläsli Lesende animieren, ihre Meinung öffentlich kundzutun. Und sie sind das Kapital der Teilnehmenden in den Sozialen Medien. Je mehr ich davon unter meinem Post habe, desto besser. Es gibt da im Gegensatz zu den alten Kommis Gute und Böse. Die Guten sind jene, die einem gerade auf LinkedIn das Gefühl vermitteln, selbst total erfolglos zu sein bei so viel gepostetem Erfolg. Vorgefertigte wie Kommis: Well done! Congrats! Weiter so! Fantastisch! Aber auch selbstgemachte, etwas ausführlichere Kommentare, die zur Endorphin-Ausschüttung und damit verbunden, einem Gefühl von Euphorie oder Wohlbefinden führen. Die Bösen sind jene, die mit ungebändigter Aggression gepostet werden und oft auch Nachfolger animieren, den Anstand zu verlieren.

Lieber kein Kommi als böse Kommis

Wenn sie sich also das nächste Mal darüber ärgern, dass ihr Beitrag in den Sozialen Medien nicht kommentiert wurde, dann trösten sie sich damit, dass es noch schlimmer sein könnte. Obwohl im richtigen Leben Ignoranz eigentlich Höchststrafe bedeutet, ist diese auf den Sozialen Medien heilsam. Was unkommentiert bleibt, generiert weniger Aufmerksamkeit. Deshalb sollten wir es unterlassen, in den Posts die Aufforderung «schreibt es in die Kommis» anzufügen. Und schon gar nicht daran glauben, dass wir mit unseren Kommentaren irgendetwas verändern könnten. Dieser Anspruch überlassen wir den Kommunisten, die oft nach einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft streben, um die Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft zu erreichen. Denn wenn alle alles publik machen dürfen, dann hört niemand mehr irgendjemandem zu. Bei Meinungen verhält sich das eben anders als beim Kapital. Oder anders gesagt, die Bösen werden vermeintlich zu den Guten, aber bleiben trotzdem die Bösen.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.


Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf werbewoche.ch - https://www.werbewoche.ch/de/marketing/was-bedeutet-eigentlich/2024-05-10/was-bedeutet-eigentlich-kommis/

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