Globale Mindeststeuer wird von Schweizer Unternehmen kritisch gesehen

Eine globale Mindeststeuer wird von international tätigen Unternehmen als eine Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gesehen. Dies geht aus einer Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte hervor. Als Kompensation für die entstehenden zusätzlichen Steuererträge regen die meisten der bei den Unternehmen befragten Steuerverantwortlichen die Abschaffung der Verrechnungssteuer an.

Die von der OECD initiierte globale Mindeststeuer gefährdet nach Ansicht vieler international tätiger Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz. (Bild: Unsplash.com)

Mitte 2021 haben sich unter der Ägide der OECD 130 Staaten in den Grundzügen über neue internationale Steuerregeln geeinigt. Die Umsetzung soll ab 2023 erfolgen – auch in der Schweiz. Dies befeuert derzeit die Diskussion über die steuerliche Standortattraktivität der Schweiz. Denn international tätigen Unternehmen liegt ein attraktiver Wirtschaftsstandort naturgemäss sehr am Herzen. Wenn es um Investitionen und Standortentscheide geht, haben die Steuerverantwortlichen dieser Unternehmen ein gewichtiges Wort mitzureden.

Globale Mindeststeuer als Gefahr für Wettbewerbsfähigkeit

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte hat in diesem Zusammenhang zwischen September und Mitte Oktober 2021 insgesamt 49 Head of Tax / Senior Tax Professionals von börsenkotierten und privaten multinationalen Unternehmen mit starkem Geschäftsbezug zur Schweiz befragt. Mehr als ein Viertel der Steuerchefs dieser Unternehmen sieht in der Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes definitiv eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Für die Hälfte der Befragten ist die Reform tendenziell eine Gefahr. Nur 14 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Wettbewerbsfähigkeit durch eine globale Mindeststeuer nicht beeinträchtig wird.

Ist die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes eine Gefahr oder
eine Chance für die Wettbewerbsfähigkeit? (Grafik: Deloitte)

Einige Steuerverantwortliche würden aber auch Chancen in der von der Staatengemeinschaft aufgegleisten Steuerreform sehen, stellt die Studie gleichwohl fest. «Eine globale Mindeststeuer würde den Steuervorteil der Schweiz gegenüber Ländern wie Deutschland, Frankreich oder den USA nur um einige wenige Prozentpunkte verringern. Auf der anderen Seite aber wird der Steuervorteil von Staaten wie Irland, Hongkong, Malta, Zypern oder Dubai abnehmen oder verschwinden», erläutert Reto Gerber, Leiter Steuern bei Deloitte Schweiz. «Dies könnte dazu führen, dass Unternehmen aktuell in Niedrigsteuerstandorten angesiedelte Aufgaben in die Schweiz verlagern.»

Steuern nicht wichtigster Standortfaktor

Deloitte hat auch nach den Auswirkungen eines Mindeststeuersatzes auf acht verschiedene Unternehmensfunktionen gefragt. Am stärksten unter Druck stehen demnach Finanzfunktionen, Produktion sowie Forschung und Entwicklung: Rund 40 Prozent der Befragten antizipieren einen negativen Einfluss der globalen Mindeststeuer auf diese Unternehmensfunktionen in der Schweiz.

Dies sei umso bedeutender, als die Unternehmen die Schweiz durchgehend als ihren bevorzugten internationalen Standort für alle abgefragten Unternehmensfunktionen sehen, schreiben die Studienautoren. «Die Befragten kennen den Wirtschaftsstandort Schweiz bestens. Es ist daher ein gutes Zeichen, dass sie diesen im Vergleich zu anderen Ländern wie dem Vereinigten Königreich, Singapur, den Niederlanden oder Irland als so attraktiv einschätzen», sagt Gerber. Das Steuerumfeld sei allerdings bei weitem nicht der wichtigste Standortfaktor: Ganz vorne rangierten gemäss den Ergebnissen der Deloitte-Studie politische Stabilität, funktionierende Infrastruktur und hohe Lebensqualität. Aber auch die wirtschaftsfreundlichen Behörden und die geographische Lage seien den international tätigen Unternehmen offenbar wichtiger als die Steuern, wie aus der Befragung weiter hervorgeht.

Verrechnungssteuer abschaffen

Die Steuerverantwortlichen der Unternehmen möchten im Gegenzug zur Einführung der globalen Mindeststeuer die Verrechnungssteuer auf Kapitalanlagen abgeschafft sehen. Die Schweiz hat mit einem Satz von 35 Prozent eine der höchsten Steuern auf Dividendenausschüttungen und Zinserträge weltweit. Breite Zustimmung erhalten auch Unterstützungen für Forschungsaktivitäten oder die Reduktion von Sozialversicherungsbeiträgen.

«Die Abschaffung der Verrechnungssteuer wäre eine Win-Win-Lösung und würde der Wirtschaft innert weniger Jahre zusätzlichen Schub verleihen», erläutert Reto Gerber. Dadurch würden zum einen Direktinvestitionen in Schweizer Unternehmen einfacher und günstiger, und die Schweiz würde zum anderen attraktiver als Marktplatz für Fremdkapital. «Der Ständerat hat es in der Hand und kann die Vorlage zur Abschaffung der Verrechnungssteuer in der anstehenden Wintersession verabschieden», so Reto Gerber.

Digitalunternehmen im Visier

Dem Steuerstandort Schweiz droht aber noch mehr Ungemach: Während die globale Mindeststeuer den weltweiten Steuerkuchen vergrössert, soll dieser unter dem zweiten Pfeiler der neuen OECD-Regularien anders verteilt werden. Diese würde sich vor allem auf die Tochtergesellschaften der Grosskonzerne negativ auswirken. «Neuansiedlungen in der Schweiz wären weniger attraktiv, und es droht ein weiterer Aderlass bei bereits ansässigen Unternehmen», führt Reto Gerber aus.

«Steuern bleiben auch nach der Einführung der globalen Mindeststeuer ein relevanter Standortfaktor bei der Ansiedlung von Unternehmensfunktionen in der Schweiz, auch wenn das nicht alle Unternehmen so offen betonen», so Deloittes CEO Reto Savoia. «Entsprechend braucht es sinnvolle Kompensationen wie die Abschaffung der Verrechnungssteuer. Gleichzeitig darf der interkantonale Steuerwettbewerb keinesfalls eingeschränkt werden und auch zum guten Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und Steuerbehörden müssen wir Sorge tragen.»

Quelle und weitere Informationen: Deloitte

(Visited 113 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema