Die Arbeitszukunft wird hybrid – Spagat zwischen Tradition und Innovation
Bereits zum 17. Mal trafen sich in der Olma-Halle St. Gallen HR-Verantwortliche aus verschiedensten Branchen zum Ostschweizer Personaltag. Thematisiert wurde die hybride Arbeitszukunft und die Frage, wie der Spagat zwischen Tradition und Innovation gelingen kann.
Peter Geiger, Vorstand FEP Freie Erfa-Gruppe Personal Ostschweiz, begrüsste die 180 Teilnehmenden sowie 20 Personen, die den Anlass von zu Hause via Live-Stream verfolgten. Sechs HR-Fachleute beleuchteten das Thema «HR in turbulenten Zeiten – Spagat zwischen Innovation und Konstanz» aus verschiedenen Blickwinkeln. Moderiert wurde der Anlass zum ersten Mal von Sabine Bianchi.
Bereichsübergreifende Zusammenarbeit fördern
Erste Referent war Alex Villiger, an der HSG promovierter Ökonom und Leiter Personal bei der Graubündner Kantonalbank. Dort hat er eine fundamentale Neuausrichtung der Personalarbeit eingeleitet und umgesetzt. Diese basiert auf der Tatsache, dass die digitale Transformation, der demografische Einbruch und der Wertwandel die Arbeitswelt grundlegend und nachhaltig verändert haben. Innert 20 Jahren seien zum Beispiel 150 000 Bürojobs wegen der Digitalisierung verschwunden. Der Komplementäreffekt schaffe mehr Jobs als Substitutionseffekt vernichte, sagt Alex Villiger. Der Komplementäreffekt werde von der Suche nach Innovationen angetrieben: «wer nur den Walkman optimiert, erfindet nie einen iPod», zitiert Villiger Heiko Fischer. Eine fundamentale Neuausrichtung der Personalarbeit werde unausweichlich. Er stellte das neue Führungsleitbild für die Arbeitswelt 4.0 vor. Die Führung müsse das Potential der Mitarbeitenden wecken, die Teams auf die Kunden ausrichten und netzwerkartige bereichsübergreifende Zusammenarbeit fördern.
Pizza-Lieferung am Onboarding-Tag: Teil der Arbeitszukunft?
Liza Follert, Head People Attraction bei den Helvetia Versicherungen, referierte über konstante Veränderungen im beständigen Wandel. Wichtige Aspekte dabei seien persönliche Erlebnisse und Erfahrungen und die Begleitung der Menschen in wichtigen Schritten des beruflichen Lebenswegs. «Ob virtuell oder persönlich, in unseren Interviews sind wir auf Augenhöhe», sagte Liza Follert. In den Interviews wird die Du-Kultur konsistent durchgeführt und zu jeder Zeit werden alle Fragen beantwortet. Schnuppertage, um das Team kennenzulernen und mehr über den Job zu erfahren, gehören ebenfalls dazu. Wie eine Bewerbung bei der Helvetia abläuft, davon konnten sich die Teilnehmenden gleich vor Ort überzeugen. Lustige, personalisierte Videos begleiten die Bewerber von der Bewerbung, über die Einladung zum persönlichen Gespräch bis zur Arbeitseinstellung. Welcome Box vor dem Start, Gummibärchen und Pizza, am ersten Arbeitstag nach Hause geliefert, sollen Lust auf Mehr machen und das Onboarding so cool gestalten, dass man den Start kaum erwarten kann.
Wohlfühlen in der Arbeitszukunft
Im Zuge der Corona-Pandemie mussten sich die meisten Unternehmen zwangsläufig mit dem Thema «Homeoffice» auseinandersetzen. Während die Arbeit zu Hause für die einen eine Erleichterung bedeutete, fühlten sich andere stärker gestresst. Dies war auch eine Feststellung, die Adrian Brunner von Cisco, einem internationalen IT-Unternehmen, in seinem Referat ansprach: «Workforce of the Future: Homeoffice und mentale Gesundheit – neues Mindset für das HR». Er sprach darüber, dass Führungskräfte wegen der räumlichen Distanz ihre Teams nur noch erschwert emotional wahrnehmen konnten. So war es mitunter kaum möglich zu erfahren, wie es um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden steht. Doch nach dem Ende der Pandemie werden viele Unternehmen nicht mehr zum «alten» Zustand zurückkehren. «Die Arbeitszukunft wird hybrid, Arbeit zu Hause, Arbeit im Büro, Arbeit überall», so Adrian Brunner. Deshalb ist ein proaktives Zugehen auf die Mitarbeitenden notwendig, um sich ein Bild ihrer mentalen Gesundheit verschaffen zu können. Damit sich die Mitarbeitenden auch in neuen Arbeitsumfeldern wohl fühlen, rät er: sich auf Teams zu konzentrieren, Vertrauensbasis zu schaffen, aufzutreten, wenn es relevant wird, die mentale Gesundheit zum Thema machen, gesunde Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeit sei in erster Linie kein Ort, sondern eine Tätigkeit.
Kulturwandel: Leadership als Schlüsselelement
Firmenkulturen müssen sich wandeln um für die Arbeitszukunft gerüstet zu sein. Dies zeigte Karin Schmidt, Group Head of HR & Communication und Mitglieder der Geschäftsleitung bei der Mibelle Group (Migros Industrie). Bei der Migros Industrie handelte es sich bis anhin um ein Konglomerat von über 20 verschiedenen Unternehmen. Diese gilt es nun so zusammenzufassen, damit Synergien besser genutzt, übergreifende Prozesse verschlankt und Kostenpositionen optimiert werden können. Eine tragende Rolle bei diesem grossen Change-Prozess kommt dem HRM zu. Sechs Ziele sind es, die in dieser Transformation erreicht werden sollen. Ein Schlüsselelement ist dabei eine Leadership-Initiative, mit der Themen wie Engagement der Mitarbeitenden, Talent Management, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Inklusion verstärkt angegangen werden. Vieles davon stecke derzeit noch in den Anfängen, so die Referentin, man habe noch viel Arbeit vor sich. Aber mit Pioniergeist, Gemeinschaft und Verantwortung wolle die Migros die Zukunft gemeinsam aufbauen.
Werte: Fundament in schwierigen Zeiten
Was die Pandemie in einem Unternehmen anrichten kann, führte anschliessend Daniel Frei, Mitbegründer und CEO von tibits AG dem Publikum eindrücklich vor Augen. «Die letzten 20 Monate waren die schwierigsten der gesamten Unternehmensgeschichte», so Frei, der vor 20 Jahren mit seinen Brüdern die fleischlose Systemgastronomie salonfähig gemacht hat. Doch dank dem stetigen Bekenntnis zu den Unternehmenswerten – Lebensfreude, Vertrauen, Fortschrittlichkeit, Zeit – und dem konsequenten Fokus auf die Menschen liess man sich bei tibits nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Das Unternehmen nutzte die Zeit, schon begonnene Innovationen zu beschleunigen und neue Projekte, wie z.B. das Biomedical Health Hotel Sonnenberg in Schwellbrunn, in die Tat umzusetzen.
Lebenskosmos Kloster Engelberg
Eine ganz andere Art von «Unternehmen» ist jenes, das Abt Christian führt: Das Benediktinerkloster Engelberg. Er zeigte, wie sich uralte Ordensregeln mit moderner Unternehmensführung verknüpfen lassen. Den Zuhörern wurde vor Augen geführt, dass es auch ohne Gewinnmaximierung geht – ja, dass der grösste Gewinn darin besteht, die Klostergemeinschaft über die Jahrhunderte nicht nur zu erhalten, sondern auch stetig weiterzuentwickeln.
Der nächste Ostschweizer Personaltag findet am 15. September 2022 statt. Weitere Informationen unter www.personaltag.ch.