Andauerndes Sitzen verursacht schwerwiegende Krankheiten
Ein Büroangestellter verbringt im Laufe seines durchschnittlichen Arbeitslebens mehrere zehntausend Stunden mit sitzenden Tätigkeiten. Ein Grund mehr, der Büroergonomie einen hohen Stellenwert zuzumessen.
Die sitzende Körperhaltung wird im Vergleich zum Stehen als entlastend empfunden. Die Körperhaltung ist beim Sitzen stabiler als beim Stehen. Doch können durch statische Haltearbeit Rücken- und Nackenbeschwerden hervorgerufen werden. Entsprechend berichten bis zu 80 % der Mitarbeitenden, die täglich Bildschirmarbeit verrichten, multiple gesundheitliche Beschwerden wie schmerzende Augen, verspannte Schultern oder Rückenprobleme. Das Sitzen kommt also eher der Bequemlichkeit als der Gesundheit entgegen. Der menschliche Organismus braucht aber Bewegung, damit er dauerhaft gesund bleibt. Seit längerer Zeit wird deshalb der Einsatz von Steh-Sitz-Büroarbeitsplätzen empfohlen. In der Praxis zeigt sich, dass selbst bei ergonomisch verstellbaren Büromöbeln der empfohlene Wechsel zwischen Sitzen und Stehen kaum stattfindet. Unter anderem, weil den Mitarbeitenden das Wissen zur korrekten Einstellung der Möbel fehlt, und bei jenen, die nicht unter körperlichen Problemen leiden, die Motivation oder Akzeptanz.
Langes Sitzen gefährdet die Gesundheit
Neuere Forschungen zu Sitzen im Büro zeigen, dass sich die Gesundheitsrisiken beim länger andauernden Sitzen nicht allein auf körperliche Verspannungen beziehen. Vielmehr treten bei mehr als vierstündigem täglichen Sitzen eine Reihe von negativen gesundheitlichen Folgen auf. So reduziert sich der metabolische Grundumsatz, das heißt, die Stoffwechselaktivität des Körpers, die Fettverbrennung und die Muskelaktivität in den Beinen. Damit verbunden sind nachgewiesenermassen erhöhte Risiken für eine ganze Reihe schwerwiegender Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, Fettleibigkeit, Bluthochdruck oder Osteoporose. Die Folgewirkungen lang andauernden Sitzens können gemäss dem aktuellen Forschungsstand nicht durch Freizeitsport kompensiert werden. Dementsprechend braucht es auch bei den Massnahmen zur Verringerung der Risiken eine Differenzierung zwischen solchen, die lang andauerndes Sitzen verringern oder unterbrechen, und solchen, die auf Bewegungsförderung abzielen. Aktuelle Forschungsbeiträge weisen darauf hin, dass Massnahmen zur Bewegungsförderung nicht gleichzeitig die Zeit im Sitzen reduzieren können.
Alle halbe Stunde mal aufstehen
Die empfohlenen Massnahmen zur Reduktion lang andauernden Sitzens können folgendermassen zusammengefasst werden: «Stand up, sit less, move more, more often!». Die Massnahmen zielen also einerseits darauf ab, die gesamte Zeit im Sitzen zu verringern und dafür mehr Zeit im Stehen oder Gehen zu verbringen. Dabei gilt zu beachten, dass das Stehen nicht statisch sein sollte und nicht länger als 20 Minuten am Stück, da es ansonsten ebenfalls zu negativen körperlichen Folgen kommen kann. Andererseits zielen die Massnahmen darauf ab, langes Sitzen am Stück zu unterbrechen – idealerweise sollte das alle 30 Minuten geschehen.
Verhaltensänderungen initiieren
Massnahmen zur Reduktion länger andauernden Sitzens können grundsätzlich in zwei verschiedene Kategorien eingeteilt werden: verhaltensorientierte und verhältnisorientierte Massnahmen.
- Verhaltensorientierte Massnahmen beabsichtigen, eine Verhaltensänderung bei den betreffenden Personen zu erzeugen. Dazu zählen Anreizsysteme, Erinnerungshilfen, Wettbewerbe oder Selbstverpflichtung und -zielsetzung. Beispielsweise können Poster aufgehängt werden, die die Mitarbeitenden daran erinnern, zwischendurch aufzustehen. Oder es können Schrittzähler verteilt werden, um anschliessend einen Teamwettbewerb zu veranstalten, der pro Team die meisten Schritte sammelt.
- Verhältnisorientierte Massnahmen setzen bei der Arbeitssituation und den Arbeitsbedingungen an. Dazu zählen insbesondere Anpassungen der Infrastruktur und Gestaltung der Büroumgebung, wie zum Beispiel der Einsatz von höhenverstellbaren Tischen, dezentral platzierten Druckern oder Kaffeemaschinen und Wasserspendern sowie die attraktive Gestaltung von Treppenhäusern. Um eine möglichst hohe Wirksamkeit der Massnahmen zu erzielen, sollten verhaltens- und verhältnisorientierte Massnahmen kombiniert eingesetzt werden.
Mitarbeitende sensibilisieren
Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Massnahmen ist die Vermittlung des Wissens darüber, dass lang andauerndes Sitzen ein Risiko für die Gesundheit darstellt. Vielen Menschen ist nicht bewusst, welche weitreichenden negativen gesundheitlichen Folgen lang andauerndes Sitzen hat. Die betroffenen Personen müssen motiviert sein, ihr Verhalten zu ändern und die eingesetzten Massnahmen zu akzeptieren.
Die Verantwortung für Ergonomie beschränkt sich deshalb nicht nur auf die Einrichtung von Arbeitsplätzen, sondern beinhaltet regelmässige Massnahmen zur Motivation, Information und Überzeugung zum gesundheitsgerechten Verhalten. Hier sind neben den konventionellen Sensibilisierungsmassnahmen durch Information und Schulung auch innovative Massnahmen denkbar, die Ergonomie und Arbeitseffektivität verbinden: Beispielsweise verkürzen Steh-Meetings oft die Besprechungsdauer, und die Meetings im Gehen («walking meetings») regen die Kreativität an.
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