SAV-Beschäftigungsbarometer geht von bleibendem Fachkräftemangel aus

Die wirtschaftliche Abkühlung scheint sich fortzusetzen. Zugleich bleibt der Arbeitsmarkt robust und viele Unternehmen bekunden Mühe, ihre Vakanzen mit dem nötigen Personal zu besetzen – dies geht aus den Analysen des Beschäftigungsbarometers des Schweizerischen Arbeitgeberverbands hervor. Gleichzeitig wird sich der Engpass an Personal aufgrund des demografischen Wandels längerfristig verschärfen.

Bald eine 10-Millionen-Schweiz? Szenarien, die von einer konstanten oder sogar steigenden Migration ausgehen, sind zu optimistisch, so ein Demografie-Experte. Trotz Zuwanderung wird die Zahl der Erwerbstätigen rückläufig sein.  (Bild: efes / Pixabay.com)

Am 24. Januar 2023 präsentierte der Schweizerische Arbeitgeberverband das aktuelle SAV-Beschäftigungsbarometer. Dieses basiert auf aktuellen Konjunkturdaten der Konjunkturforschungsstelle KOF, BAK Basel und dem Seco. Die Ausgangslage zeigt sich demnach wie folgt: So bewegt sich das KOF-Konjunkturbarometer mit einem Wert von 92,2 Punkten im Dezember nach wie vor deutlich unter dem längerfristigen Mittelwert. Ende 2022 legte es mit einem Anstieg um drei Punkte erstmals seit mehreren Monaten wieder zu. Die Binnenwirtschaft hat nach wie vor einen stabilisierenden Effekt auf die Konjunktur, insbesondere aufgrund eines weiterhin robusten Privatkonsums. Schwieriger sieht die Situation in Teilen der exportorientierten Industrie aus, wo man die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Absatzmärkten zu spüren bekommt. Den Betrieben in diesen Ländern machen die weltweite Energiekrise, die nachlassende Inlandnachfrage als Folge der rückläufigen Kaufkraft und die anhaltenden Lieferengpässe nach wie vor zu schaffen. Gleichzeitig flachen die Nachholeffekte als Folge der Corona-Pandemie allmählich ab. Gerade in der MEM-Industrie wirken sich die tieferen Exporte in wichtige Absatzländer negativ aus, und die hohen Energiepreise machen insbesondere den energieintensiven Unternehmen zu schaffen. Gemäss KOF Konjunkturprognose wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Schweiz trotz der weltweiten konjunkturellen Abkühlung im laufenden Jahr immerhin noch um 0,7 Prozent wachsen – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, deren Wirtschaft sogar schrumpfen wird.

SAV-Beschäftigungsbarometer zeigt in gewissen Branchen chronischen Fachkräftemangel

Aus der Analyse der KOF-Umfrage, die dem SAV-Beschäftigungsbarometer wichtige Grundlagen liefert, geht hervor, dass die befragten Betriebe sowohl die Geschäftslage als auch die Beschäftigung immer noch mehrheitlich positiv beurteilen, wenn auch etwas weniger euphorisch als noch im zweiten Halbjahr 2022. Insbesondere mit Blick auf die Beschäftigung geben die Unternehmen in vielen Branchen an, dass sie zukünftig von einem Stellenausbau ausgehen. Dies trifft vor allem auf den Dienstleistungssektor zu. Die Einschätzungen zur Beschäftigungsentwicklung in der MEM-Industrie zeigen gemäss SAV-Beschäftigungsbarometer jedoch, dass sich der Anteil der Betriebe, der von einem Stellenausbau ausgeht, in den letzten beiden Quartalen des Jahres 2022 verkleinert hat. Die Herausforderung bei der Suche nach geeignetem Personal bleibt aber gleichwohl bestehen: In der Zeit nach der Corona-Pandemie hat sich ein Stau an offenen Stellen gebildet, und die demografische Entwicklung sowie der Austritt der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt tragen zum Arbeitskräfteengpass bei. Fast schon als „chronisch“ wird der grosse Fachkräftemangel in der IT-Branche bezeichnet. Gemäss der KOF-Umfrage gibt etwa jeder zweite Betrieb an, dass sich der Mangel an geeignetem Personal negativ auf die Ertragslage in den Betrieben auswirkt.

Inländisches Arbeitskräftepotenzial besser abschöpfen

Auch wenn sich eine Abkühlung der Konjunktur abzeichnet und dies zu einer Normalisierung des Arbeitsmarkts führt, ist das Problem der fehlenden Fachkräfte nicht vom Tisch. Zur Entschärfung der Situation muss prioritär das im Inland verfügbare Arbeitskräftepotenzial besser ausgeschöpft werden, subsidiär bleibt eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung jedoch unabdingbar, auch wenn unsere Nachbarländer ebenfalls unter zunehmendem Fachkräftemangel leiden. Hendrik Budliger, Gründer und Leiter des Kompetenzzentrums Demografik, hat die Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz und den wichtigsten Zuwanderungsländern vertieft untersucht. Er kommt zum Schluss, dass die Szenarien, die von einer konstanten oder sogar steigenden Migration ausgehen, zu optimistisch sind. Laut seinen Berechnungen entwickelt sich die Zahl der Erwerbstätigen in der Schweiz ab 2025 rückläufig, und dies trotz Zuwanderung. Die Arbeitgeber sehen sich dabei in ihren Bestrebungen, das inländische Arbeitskräftepotenzial zu stärken, umso mehr bestätigt. Laut Roland A. Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV), ist ein umfangreiches Massnahmenpaket nötig. So fordert er eine Erhöhung von Arbeitszeit und Arbeitsvolumen. Die erwerbstätige Bevölkerung arbeite durchschnittlich nahezu 14 Tage weniger als noch vor 10 Jahren, so Müller. «Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir das Arbeitsvolumen erhöhen statt über weitere Senkungen nachzudenken. Vor allem bei Mini-Pensen unter 40 Prozent muss man ansetzen.» Zweitens müsse sich Arbeiten wieder mehr lohnen, auch durch steuerliche Anreize. Die „Heiratsstrafe“, also die steuerliche Ungleichbehandlung von Ehepaaren gegenüber von Einzelpersonen, gehöre abgeschafft und die Individualbesteuerung eingeführt, so Roland A. Müller weiter. Und drittens fordert Müller Investitionen in die Kinderbetreuung, so dass es auch Müttern oder Vätern leichter möglich ist, ihre Arbeitspensen aufzustocken, wenn sie dies möchten.

Quelle: Schweizerischer Arbeitgeberverband 

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