Ukraine-Flüchtlinge: Mehr Planungssicherheit gefordert
Eine vom Schweizerischen Arbeitgeberverband in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass bereits jedes zehnte Unternehmen in der Schweiz Geflüchtete aus der Ukraine angestellt hat und die Zufriedenheit mit deren Leistung hoch ist. Die Unternehmen sehen sich aber auch mit Herausforderungen konfrontiert.
Kurz nach dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine hat der Bundesrat entschieden, den Geflüchteten den Schutzstatus S zu gewähren. Dieser Entscheid fand breite Unterstützung in der Wirtschaft, auch vom Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV). Inzwischen sind rund 60’000 Ukraine-Flüchtlinge registriert. Etwas mehr als die Hälfte, etwa 33’000, befinden sich im erwerbsfähigen Alter. Gemäss Staatssekretariat für Migration gehen inzwischen etwa 10 Prozent der erwerbsfähigen Personen einer Arbeit nach. An einer Medienkonferenz vom 18. August 2022 begrüsste es der Schweizerische Arbeitgeberverband, dass die Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Integration der Personen aus der Ukraine in der Schweiz leisten. Die Erwerbstätigkeit ermöglicht einen strukturierten Alltag, finanzielle Unabhängigkeit und die Teilnahme am sozialen Leben während des Aufenthalts in der Schweiz. Um mehr über das Interesse, aber auch über die Herausforderungen und Bedürfnisse der Schweizer Unternehmen in Bezug auf die Anstellung von Ukraine-Geflüchteten zu erfahren, beauftragte der SAV das Forschungsinstitut Sotomo mit einer repräsentativen Unternehmensbefragung.
Mehr als die Hälfte der Unternehmen wollen Ukraine-Flüchtlinge anstellen
Die Befragung zeigt, dass 56 Prozent der Unternehmen grundsätzlich ein Interesse an einer Anstellung haben und beinahe jedes zehnte Unternehmen bereits Personen mit Schutzstatus S angestellt hat. Betriebe, welche Ukraine-Flüchtlinge eingestellt haben, sind mit deren Leistungen zufrieden. Laut Umfrage bekunden die Firmen mit der Anstellung von Personen aus der Ukraine ihre Absicht, einen solidarischen Beitrag zu leisten. Als bedeutende Faktoren werden zudem die Qualität der ukrainischen Arbeitskräfte sowie deren hohe Motivation genannt.
Gleichzeitig gibt es Faktoren, die eine Anstellung erschweren. Ungenügende Sprachkenntnisse werden in diesem Zusammenhang besonders häufig genannt – besonders bei Gastrounternehmen sowie Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen sind sie ein gewichtiger Grund für eine Nichtanstellung. Dies sind zugleich jene Branchen, die grundsätzlich am meisten Potenzial bei der Anstellung von ukrainischen Flüchtlingen erkennen. 62 Prozent der Unternehmen fordern auch ein höheres Engagement und verstärkte Anstrengungen von Bund und Kantonen in Bezug auf Sprachkursangebote.
Verlängerung des Aufenthaltsrechts erwünscht
Das Aufenthaltsrecht von Personen mit Schutzstatus S ist gegenwärtig auf ein Jahr befristet – die Aufenthaltserlaubnis läuft somit bei den ersten Personen bereits in rund einem halben Jahr aus. Diese Unklarheiten über das weitere Vorgehen beim Schutzstatus S verunsichern viele Unternehmen. So würden 81 Prozent der befragten Unternehmen, die bereits Anstellungen getätigt haben, eine Verlängerung des Aufenthaltsrechts für die Dauer der Anstellung begrüssen. SAV-Präsident Valentin Vogt hob anlässlich der Medienkonferenz die Relevanz der Planungssicherheit hervor: «Eine Perspektive bezüglich Aufenthalt der ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz würde die Unternehmen dazu animieren, die Integration mittels Praktika und Lehrstellen weiter voranzutreiben oder gar zu intensivieren.»
Teilweise geben die Befragten allerdings auch an, dass es ihnen gegenwärtig schlicht an Bewerbungen von Personen aus der Ukraine mangelt. Sie fordern deshalb eine aktivere Rolle der RAV bei der Registrierung und Vermittlung von Personen mit Schutzstatus S. Dass es bei der Rekrutierung Schwierigkeiten gibt, konnte auch Judith Bellaiche, Direktorin von Swico, aus der ICT-Branche berichten. Demnach sei es für die Unternehmen ausgesprochen schwierig, direkt an die Geflüchteten zu gelangen, wobei dieser Umstand durch dezentrale und kleinräumige Verantwortlichkeiten zusätzlich erschwert werde. Teilweise hätten die Flüchtlinge auch mangelnde Kenntnisse des Schweizer Arbeitsmarktes, was es ihnen erschwere, sich auf dem Markt zu positionieren. «Hierbei wäre eine Unterstützung durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV sehr zu begrüssen. Sie könnten dank ihren Strukturen und den Kenntnissen des Arbeitsmarkts bei der Stellensuche Hand bieten», so Bellaiche.
Arbeitskräftemangel: Ein Tropfen auf den heissen Stein
Und vermögen Ukraine-Flüchtlinge den Fachkräftemangel etwas zu dämpfen? Es scheint, dass die Zuwanderung von Geflüchteten aus der Ukraine nur einen Tropfen auf den heissen Stein bedeutet. Nach Ansicht von gut jedem zweiten befragten Unternehmen können Personen aus der Ukraine mit Schutzstatus S aber zumindest partiell dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken. Unternehmen, die seit März dieses Jahres einen Bedarf an Arbeitskräften hatten oder noch immer haben, sehen in Personen mit Schutzstatus S häufiger eine Möglichkeit, den derzeitigen Arbeitskräftemangel in der jeweiligen Branche zu mindern. Etwas weniger Potential gegen den Arbeitskräftemangel als z.B. in der Gastro- und Gesundheitsbranche sehen dagegen Unternehmen aus der Industrie.
Quelle: Schweizerischer Arbeitgeberverband