Tag des Handels 2022: Schweizer Händler mit vollen Auftragsbüchern

Gute Prognosen am Tag des Handels 2022: Aktuell entwickelt sich der Schweizer Handel noch besser als die Weltkonjunktur. Gemäss Prof. Dr. Jan-Egbert Sturm, Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, ist jedoch früher oder später mit einer Anpassung an die internationalen Trends zu rechnen.

Jan-Egbert Sturm sprach am Tag des Handels 2022 über die makroökonomische Situation der Schweiz. (Bild: Jan Hellman / Handel Schweiz)

Die Weltkonjunktur hat sich nach der Pandemie rasch erholt. Das zeigt der Vergleich der Finanzkrise von 2008/2009 mit den Pandemiejahren. Während 2008 die Weltwirtschaft um vorher unerreichte 4% schrumpfte, verringerte sich das Weltwirtschaftsvolumen während der Pandemie um 10%. Doch in beiden Phasen erreichte die Konjunktur innerhalb von rund eineinhalb Jahren wieder das Vorkrisenniveau. Um die makroökonomische Weltlage sei es also besser bestellt als vermutet, erklärte Prof. Dr. Jan-Egbert Sturm von der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich am diesjährigen Tag des Handels. Die Kurve schwäche sich zwar leicht ab, aber sie sei immer noch auf gutem Niveau. Etwas anders präsentiert sich die Lage, wenn die Ergebnisse der internationalen Umfragen unter Produzenten und Konsumenten betrachtet werden. Diese beurteilen die aktuelle Lage als leicht getrübt; für die Zukunft erwarten sie eine weitere Verschlechterung. Prof. Dr. Jan-Egbert Sturm brachte es auf den Punkt: «Aus internationaler Sicht ist die Stimmung nicht gut. Das Glas ist halb leer. Diese Haltung drückt auf die Konjunktur.»

Boomphase in der Schweiz

Anders sähe es in der Schweiz aus. Gastgewerbe und Grosshandel berichten von einer leicht überdurchschnittlichen Geschäftslage. In der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe herrsche Hochkonjunktur. Die Schweiz befände sich in einer Boomphase. Während vor der Krise die Lager im Handel als zu gross beurteilt wurden, seien sie im Jahr 2022 zu klein. Für den Handel sei es ein Problem, dass weltweit die Lager gefüllt würden. Das hänge mit der gleichzeitig hohen Nachfrage seitens der Konsumenten und der Produzenten zusammen. Diese Entwicklung begünstige den Anstieg der Inflation. Die Nachfrage im Handel sei weitgehend intakt. Jedoch mangle es an Fachkräften, wie zum Beispiel 55% der Bauunternehmen in Umfragen des KOF angeben. Der Bau ist ein wichtiger Kunde des Handels. Gemäss den Befragungen könnten die Baufirmen mit mehr Fachkräften ein grösseres Volumen an Aufträgen annehmen. 

Fehlende Vorprodukte stoppen den Export

Für Schweizer Unternehmen bergen künftige Entwicklungen ähnliche Unsicherheiten wie für Firmen in anderen Weltgegenden. Ein Problem ist der Mangel an Vorprodukten. Dies bestätigte Carl A. Ziegler, Präsident von swiss export. Auch die exportierenden Firmen freuen sich über volle Auftragsbücher. Trotz Krieg, Inflation und Probleme auf den Lieferketten sei das Gros der Firmen optimistisch. Doch die nicht vorhandenen Vorprodukte wirken sich sehr negativ aus, wie er betonte: «Fehlen Einzelteile, können ganze Anlagen nicht exportiert werden. Die Unternehmen dürfen sich daher nicht mehr auf nur einen Partner verlassen, sondern müssen neue Lieferanten finden, zum Teil auch in anderen Regionen als bisher.» Eine weitere Herausforderung enthalte das Thema Nachhaltigkeit. Zwar seien die exportierenden Firmen vor allem KMU mit einem hohen Nachhaltigkeitsstandard. Trotzdem will sich die Branche weiter verbessern. Swiss export hat daher das Projekt Ecomove ins Leben gerufen, das die Firmen bei ihren Anstrengungen unterstützt. 

Konsumenten müssen für Nachhaltigkeit mehr bezahlen

Nachhaltigkeit ist auch ein zentrales Thema im Textilhandel, wie Carl Illi, Präsident Swiss Textiles, am Tag des Handels ausführte. Der Knackpunkt läge jedoch bei den Konsumenten. Denn mehr Nachhaltigkeit koste. Die Frage sei: Zahlen die Konsumenten die höheren Preise? Nachhaltiger bedeute manchmal, in der Nähe zu produzieren. Damit sei jedoch nicht Mitteleuropa gemeint. Denn allein die Genehmigung und der Bau von Fabriken dauerte hier länger als in anderen Teilen der Welt. 

Nach wie vor gilt: Rund die Hälfte der weltweiten Textilien werden in China hergestellt. In der EU gibt es Bestrebungen, den Carbon Footprint einzuführen und auf den Produktetiketten auszuweisen. Carl Illi machte jedoch klar: «Die Textilindustrie wäre schon heute nachhaltiger, wenn die Konsumenten die höheren Preise zahlen würden. Neue Produktionsmaschinen brauchen 30% weniger Wasser und weniger Strom. Doch jede neue Maschine muss zuerst verdient werden.» Dabei gibt es ein Hindernis. Zwar hat auch die Textilbranche weltweit volle Auftragsbücher. Die Konsumenten strömen in die Läden. Doch die Ware wird insgesamt teurer, und dies nicht wegen zunehmender Nachhaltigkeit. So ist die sehr energieabhängige Textilbranche auf niedrige Stromkosten angewiesen. Carl Illi erklärt: «Weltweit sehe ich keinen Produzenten, der heute günstiger herstellt als vor zwei Jahren.» Der Präsident von Swiss Textiles geht zudem davon aus, dass die Containerpreise hoch bleiben. Für die Hersteller von Textilien steigen mehrere Kosten. Die alten Lager sind aufgebraucht, und die neuen Lager werden teurer. Resultat: Die Textilanbieter geben die Teuerung an die Konsumenten weiter. Parallel dazu ist im Markt der Textilmaschinen eine Verschiebung zu beobachten. Die hohen chinesischen Stromkosten und der durch die Lockdowns bedingte Mangel an Arbeitskräften hat die Suche nach alternativen Produzenten begünstigt. Länder wie Pakistan, Indien, Vietnam, die Türkei, Kambodscha und Südamerika investieren neu in den Textilmaschinenbau. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf die Themen Nachhaltigkeit und Preise auswirken wird.  Der Schweizer Verband macht jedenfalls die Branche mit dem neuen Swiss Textile Recycling Ecosystem fit für die Zukunft. Nun kommt es noch auf die Konsumenten an.

Quelle und weitere Informationen: Handel Schweiz

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