Roadmap aus dem Lockdown: sgv will Öffnung am 1. März 2021
Der Schweizerische Gewerbeverband erneuert seine Forderung nach einer Öffnung am 1. März 2021. In einer Medienkonferenz legte er eine Roadmap aus dem Lockdown vor und wies nochmals auf die existenziellen Probleme bei KMU hin, sollten Geschäfte noch länger geschlossen bleiben müssen.
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv fordert die sofortige Lockerung des Lockdowns mit der Zulassung von Terrassen- und Outdoorbetrieben in der Gastronomie sowie von «Private Shopping» und Outdoorverkauf im Detailhandel. Per 1. März 2021 fordert der sgv die komplette Öffnung der Wirtschaft. Flankierend dazu müssen die Tests intensiviert und ausgeweitet werden um die Absteckungsketten zu unterbrechen. Das vollständige Impfprogramm muss per Ende Juni 2021 vollständig abgeschlossen sein. Als Informationsgrundlage muss der Bund ein klar kommuniziertes «Nationales Dashboard» mit Indikatoren wie Zahlen zu den Hospitalisierungen, zur Belegung der Intensivbetten, zur 7-Tage-Inzidenz, zur Positivitätsrate und zu den Ansteckungsorten entwickeln. So lautet, kurz zusammengefasst, die Roadmap des sgv. Der Verband untermauert damit seine schon letzte Woche kommunizierte Stossrichtung.
Situation wird für viele Branchen immer schwieriger
Einige Vertreter von stark betroffenen Branchen machen weiterhin auf die schwierige Lage von vielen KMU aufmerksam. So verzeichnet etwa der Textilfachhandel Verluste von 8 bis 35 Prozent – je nach Verkaufsstelle. Milo Goldener, Präsident des Verbandes textilschweiz: „Durch den Lockdown im letzten Frühling sind die Reserven bereits aufgebraucht worden.“ Dass eine Öffnung von Kleiderläden zu einer Erhöhung von Ansteckungen führt, schliesst Milo Goldener aus: „Unsere Schutzkonzepte haben sich bewährt. Selbst Mitarbeitende, die sich im privaten Umfeld ansteckten, haben den Virus in den Geschäften nicht auf Kunden und Mitarbeitende übertragen.“ Ähnlich dramatisch präsentiert sich die Situation im Sport-Fachhandel, wie dessen Verbandspräsident Peter Bruggmann ausführte. Seine Forderung ist denn auch unmissverständlich: „Die Lockdown-Strategie kostet die Sportbranche jeden fünften Arbeitsplatz. Sie muss beendet werden, sofort!“ Auch der Verband auto-schweiz klagt wegen des Lockdowns über massive Rückgänge bei den Autoverkäufen. Seit 25 Jahren war die Marktlage noch nie so schlecht, wie François Launaz, Präsident auto-schweiz, ausführte.
Lockdown gefährdet Gesundheit
Auf einen nicht zu unterschätzenden Aspekt wies in der Medienkonferenz Roland Steiner, Vize- und Ehrenpräsident des Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verbands SFGV, hin. Denn es ist nicht nur das Virus direkt, das die Gesundheit gefährdet, sondern auch indirekt die geschlossenen Fitnesscenter. Denn eine Umfrage habe gezeigt, dass im Lockdown die physischen Beschwerden bei Kunden stark zunehmen würden. Jeder Dritte müsse wegen einem sich verschlimmernden gesundheitlichen Problem wieder einen Arzt oder Therapeuten aufsuchen. Ein grosser Teil leide jetzt wieder unnötigerweise an Rücken- oder Knieschmerzen oder verzeichne eine starke Gewichtszunahme.
Schutzkonzepte als Teil der Roadmap
Deshalb, so die Forderung des sgv, sollen Freizeit-, Fitness- und Sporteinrichtungen am 1. März 2021 wieder voll öffnen können. Auch der Detailhandel soll wieder sein gesamtes Sortiment anbieten können. Restaurants und ähnliche Betriebe sollen gemäss dem detaillierten neuen Konzept von Gastro-Suisse wieder Gäste empfangen dürfen. Einher gehen soll diese Öffnung mit der konsequenten Einhaltung von Schutzkonzepten, wie sie schon nach dem ersten Lockdown geschaffen worden sind.
Eine weitere Forderung des sgv ist die Abschaffung der Homeoffice-Pflicht. Diese hätte, so sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler, nichts gebracht sondern im Gegenteil eher für Verunsicherung gesorgt.
Nicht alle fordern Aufhebung des Lockdowns
Nichtsdestotrotz: Nicht alle Branchen wünschen derart vehement eine Beendigung des Lockdowns. So hat sich der Schweizerische Bankpersonalverband SBPV in einem Offenen Brief an den Bundesrat gewandt. Darin warnt er vor einer zu raschen Öffnung, wie ihn die Arbeitgeberverbände fordern. Namentlich im Bankensektor sei eine Lockerung der Massnahmen kein dringendes Bedürfnis – hier habe sich das Homeoffice in der Praxis bereits bewährt und eine Lockerung würde zweifellos eine Gesundheitsgefährdung der Arbeitnehmenden darstellen, schreibt der SBPV. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Banken gute Lösungen gefunden hätten, um trotz Homeoffice ihre Dienstleistungen weiterhin erbringen zu können, heisst es weiter. Die Gewerkschaft der Bankangestellten fordert deshalb die Fortführung
„dieser bewährten Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmenden und zur Unterbindung unnötiger Kontakte“. Doch nicht nur dies: Die Homeoffice-Pflicht soll durch finanzielle Unterstützung für Arbeitnehmende in Sachen Ergonomie und dem Ersatz von Auslagen sogar noch verstärkt werden.
Welche Roadmap hat der Bundesrat?
Wie dem auch sei: Der Bundesrat steht unter Druck. Offen bleibt die Frage, auf welche Stimmen er bei seinem nächsten Entscheid am meisten hören wird: Auf jene, die für eine Öffnung lobbyieren oder auf jene, die eine 3. Welle fürchten. Es scheint, dass die jetzige Situation einer Wahl zwischen Pest und Cholera gleichkommt. Zu wünschen ist in jedem Fall, dass der Schweizer Bevölkerung – nicht nur der Wirtschaft – eine klare Perspektive dargelegt werden kann, verbunden mit Massnahmen, die logisch, einfach verständlich sind und klar kommuniziert werden.