Nachlassstundungen unter neuem Sanierungsrecht

Nachdem das revidierte Sanierungsrecht seit über zwei Jahren in Kraft ist, hat KPMG eine umfragebasierte Analyse über die Entwicklung der Nachlassstundungen in der Schweiz durchgeführt. Die Resultate der Analyse zeigen, dass das Instrument der Nachlassstundung erst wenig an Attraktivität gewonnen hat.

Die offiziellen Nachlassstunden und geschätzten Gesuche seit 2010 (Grafik: KPMG)

Während vor der SchKG-Revision rund 60 Prozent der Gesuche genehmigt wurden, sind es seit 2014 rund 70 Prozent, unterstreicht die aktuelle KPMG Studie “Entwicklung der Nachlassstundungen unter dem neuen Sanierungsrecht“.

Die am 1. Januar 2014 neu in Kraft getretenen Bestimmungen zum Sanierungsrecht (SchKG) brachten einige Neuerungen im Nachlassverfahren. Mit diesen neuen Bestimmungen strebte der Gesetzgeber zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten und verbesserte Rahmenbedingungen zur Unternehmenssanierung an. In diversen Bereichen wurden Verbesserungen erzielt:

Vereinfachung der formellen Vorschriften zur Verfahrenseinleitung

  • Neu können sog. Dauerschuldverhältnissen wie Miet- oder Leasingverträge per sofort aufgelöst werden
  • Verzichtsmöglichkeit auf Bekanntmachung bei gleichzeitiger Einsetzung eines Sachwalters während maximal vier Monaten (für Ausnahmefälle)
  • Attraktivere Bedingungen zur Trennung und dem Verkauf von profitablen Geschäftsteilen

Nachdem das neue Sanierungsrecht seit über zwei Jahren in Kraft ist, haben wir dies zum Anlass genommen, die erste umfragebasierte Analyse über die Entwicklung der Nachlassstundungen in der Schweiz durchzuführen. Die Ergebnisse basieren auf rund 70 Antworten von zuständigen Gerichten in der Schweiz.

Praxiserfahrungen und Einschätzungen

Ausgehend einer umfragebasierten Analyse von KPMG wird die jährliche Anzahl Nachlassstundungen in der gesamten Schweiz seit 2010 in der Grössenordnung von 70 bis 80 pro Jahr geschätzt. Damit ist die absolute Anzahl Nachlassstundungsverfahren, verglichen zu den rund 14‘500 Konkursverfahren alleine im Jahr 2015, sehr tief geblieben.

Seit Inkrafttreten der SchKG-Revision ist ein leichter Anstieg feststellbar. Dies kann einerseits damit zusammenhängen, dass die Verfahrenseinleitung vereinfacht wurde oder andererseits damit, dass sich Restrukturierungspraktiker wieder vermehrt mit dem Instrument der Nachlassstundung auseinandergesetzt haben.

Anzahl Gesuche steigt

Erfahrungsgemäss werden die meisten Unternehmenssanierungen bis heute unter dem Obligationenrecht durchgeführt. Aufgrund der Gesetzesneuerungen und mit zunehmender Erfahrung durch die Restrukturierungspraktiker geht die KPMG AG davon aus, dass die Nachlassstundungen weiter steigen dürften, aber insgesamt auf relativ tiefem Niveau verbleiben werden.

Erleichterte Formvorschriften

Während vor der SchKG-Revision rund 60 Prozent der Gesuche genehmigt wurden, sind es seit 2014 rund 70 Prozent. Die erleichterten Formvorschriften dürften also wirkungsvoll gewesen sein.

Die erleichterten Formvorschriften werden aufgrund erster Praxiserfahrungen als sehr hilfreich und zielführend beurteilt. So sind die meisten Dokumente, die zur Verfahrenseinleitung benötigt werden, in einem professionell geführten Turnaround-Programm ohnehin bereits vorhanden – nur wenige Dokumente sind speziell für die Verfahrenseinleitung zu erstellen.

Bekanntmachungsverzicht – nur in Ausnahmefällen?

Überraschend hoch war die Anwendung der neuen Möglichkeit, auf die Bekanntmachung des Verfahrens zu verzichten. Diese wurde vom Gesetzgeber grundsätzlich für Ausnahmefälle geschaffen. So beinhalteten rund ein Viertel der Gesuche der Jahre 2014 und 2015 einen Antrag auf Publikationsverzicht, der in circa 85 Prozent der Fälle genehmigt wurde.

Der Verzicht auf Bekanntmachung wurde im Vorfeld durch viele Praktiker als vielversprechendes Instrument beurteilt. Schliesslich wurde dieser gemäss unserer Umfrage in über 20 Prozent der Verfahren angewendet. Der Bekanntmachungsverzicht ist jedoch nicht immer ein Allerheilmittel. Dessen Anwendung ist aus unserer Sicht vorsichtig und umfassend zu analysieren, zum Beispiel in Bezug auf:

  • die Konsequenzen auf das operative Geschäft und die bevorstehenden Sanierungsverhandlungen, oder
  • auf die Wahrscheinlichkeit, ob eine Sanierung innert der bislang relativ kurzen Dauer von 4 Monaten realistisch ist.

Nachlassstundung: Quo vadis?

Zwei Jahre seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung kann deren Zielerreichung noch nicht abschliessend beurteilt werden. Aufgrund der Resultate dieser Analyse scheint das Instrument der Nachlassstundung erst wenig an Attraktivität gewonnen zu haben. Immerhin wurde der Zugang zur Nachlassstundung offensichtlich erleichtert.

Kurzfristig wird kein wesentlicher Anstieg der Verfahrenszahlen erwartet. Langfristig hat jedoch das Verfahren mit zunehmender Erfahrung durch die Anwender – und möglicherweise nachdem der Gesetzgeber noch Feinanpassungen vornehmen wird – Potenzial, sich in zu einem erprobten und beliebteren Instrument zur Unternehmenssanierung zu entwickeln.

Text: Alessandro Farsaci (KPMG Advisory)

Die vollständige Studie “Entwicklung der Nachlassstundungen unter dem neuen Sanierungsrecht“ finden Sie unter diesem Link

http://www.kpmg.ch

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