Konjunkturaussichten: Schweizer Wirtschaft muss sich wärmer anziehen
Die Konjunkturaussichten der Schweizer CFOs sind erstmals seit über drei Jahren rückläufig. Diese Anzeichen müssen auch im internationalen Kontext nachdenklich stimmen. Drohende internationale Spannungen und Respekt vor der Aufwertung des Schweizer Frankens sind die Gründe hierfür. Dies und mehr liefert die bereits 35. Durchführung der bekannten halbjährlichen CFO-Umfrage von Deloitte.
Die Konjunkturstimmung unter den Schweizer CFOs trübt sich erstmals seit über drei Jahren ein. Dies ist eines zentralen Ergebnisse der seit 2009 von Deloitte halbjährlich durchgeführten CFO-Umfrage. An der aktuellen Befragung, die zwischen dem 29. August und 24. September 2018 durchgeführt wurde, nahmen insgesamt 109 CFOs sowohl aus börsenkotierten Unternehmen als auch von privat gehaltenen Gesellschaften teil.
Der grosse Boom ist zu Ende
Noch 77% der über 100 befragten Finanzchefs sind hierzulande positiv gestimmt, was die Konjunkturaussichten angeht. Dies entspricht einer Abnahme von 8 Prozentpunkten gegenüber dem ersten Halbjahr 2018. Es ist Vorsicht geboten. Nach den letzten drei ähnlichen Stimmungsumschwüngen ging es zwei Mal steil bergab, zeigt die Studie. Dass der Wachstumshöhepunkt überschritten scheint, lässt sich auch daran ablesen, dass in den letzten drei Monaten der Optimismus der CFOs hinsichtlich der finanziellen Aussichten des eigenen Unternehmens deutlich geschrumpft ist. Der Nettosaldo (optimistische abzüglich pessimistischer Nennungen) ist von 24% auf tiefe, aber immer noch positive 9% zurückgegangen. «Die Schweizer Wirtschaft ist zwar immer noch robust, doch der grosse Boom ist vorbei. Die anhaltenden internationalen Handelsstreitereien färben erstmals auch auf die Schweiz ab. Das protektionistische Getue, das insbesondere von den beiden Grossmächten USA und China ausgeht, schürt die Verunsicherung unserer exportorientierten Unternehmen.» kommentiert Michael Grampp, Chefökonom bei Deloitte Schweiz, die Resultate der CFO-Umfrage.
Handelspartner signalisieren vermehrt Unzuverlässigkeit
Insgesamt schätzen zwar nur 40% der CFOs das Niveau der ökonomischen und finanziellen Unsicherheiten hierzulande als hoch ein. Dieses Resultat darf als optimistisch gewertet werden. Doch für die Verunsicherung der CFOs verantwortlich sind die Entwicklungen im Ausland. Knapp die Hälfte der exportorientierten Schweizer Unternehmen (48%) sehen grosse Unsicherheiten auf sich zukommen. Die Konjunkturaussichten trüben vor allem zunehmende politische Unsicherheiten bei den traditionellen Handelspartnern. Gegenüber dem ersten Halbjahr steigen im aktuellen Halbjahr die Risikowahrnehmung gegenüber den etablierten Partnern USA (plus 26% auf 77%), Italien (plus 20% auf 64%) und China (plus 15% auf 30%) drastisch an. Das Brexit-geplagte Grossbritannien wird wenig überraschend ebenfalls von hohen 64% der CFOs als risikobehafteter Handelspartner eingestuft. Erfreulicher werden die Beziehungen zu den beiden traditionell wichtigsten Partnern Deutschland (11%) und Frankreich (7%) gesehen. Bei beiden hat das Mass an Unsicherheit gegenüber dem ersten Halbjahr abgenommen. Indes: Viele Schweizer Unternehmen haben derzeit andere Prioritäten. «Geopolitische Unsicherheiten und Protektionismus sind in der Risikowahrnehmung der Schweizer CFOs zwar sehr relevant, zuoberst stehen jedoch unternehmensinterne Prozesse: Mögliche hausgemachte Probleme sind erstmals das Top-Risiko. Viele Unternehmen sind zurzeit stark mit sich selbst beschäftigt und konzentrieren sich nicht mit vollem Elan auf die Herausforderungen von aussen. Dies wäre jedoch genau nötig», analysiert Alessandro Miolo, Verantwortlicher Partner CFO-Programm bei Deloitte, das Spannungsfeld, in dem CFOs aktuell agieren.
Wechselkurs EUR/CHF: 1.07 als Schmerzgrenze
Im Hinblick auf das herausfordernde internationale Geschäft steht für die Schweizer Unternehmen der Wechselkurs CHF/EUR besonders im Fokus. Für knapp 60 Prozent der befragten CFOs hätte ein stärkerer Franken direkte negative Auswirkungen für ihr Unternehmen. Als Durchschnitt geben die befragten CFOs einen Wechselkurs von EUR/CHF von 1.07 als Schmerzgrenze an.
Alessandro Miolo ordnet dieses Ergebnis wie folgt ein: «Nach der Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015 und dem anfänglichen Schock haben sich die Unternehmen zwar mit der Wechselkurssituation arrangiert. Doch der CHF/EUR Wechselkurs hängt heute wie ein Damoklesschwert über den Unternehmen. Es ist überraschend, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Schweizer Finanzchefs mittels Risikoeinschätzungen oder finanziellem Hedging das Wechselkursrisiko begrenzen. Man darf bei diesem Thema nicht untätig sein.»
Fachkräftemangel hält Unternehmen auf Trab
Trotz abnehmenden Tendenzen bei den positiven Aussichten, bleiben die Unternehmen sowohl bezüglich Investitionen als auch Einstellungen europaweit ausgabefreudig. 39% der Schweizer CFOs rechnen im 12-Monate-Ausblick immer noch mit einem Anstieg der Investionen. Dies deckt sich weitgehend mit dem Eindruck, der auch die ORGANISATOR-Umfrage „KMU-Monitor“ aufgezeigt hat. In Sachen Investitionsfreudigkeit liegt die Schweiz gemäss Deloitte im europäischen Durchschnitt.
42% der Schweizer CFOs sind zuversichtlich, dass sie die Anzahl Mitarbeitende in den nächsten 12 Monaten erhöhen werden. Jedoch sehen sie den Zugang zu qualifiziertem Personal als grösser werdendes Risiko. Diese Bedenken teilen sie fast ausnahmslos mit den CFOs der anderen europäischen Ländern. Bei unseren Nachbarn Deutschland und Österreich ist der Fachkräftemangel sogar das am häufigsten genannte Risiko. Auch vor dem Hintergrund des schweizerischen Inländervorrangs ist gut möglich, dass der «War for Talent» innerhalb der deutschsprachigen Ländern weiter zunimmt. Besonders gesucht sind Personen mit angemessenem technischen Wissen und Berufserfahrung.
Stärker als der europäische Durchschnitt setzt die Schweiz auf Auslandsrekrutierung (33%) und nicht ganz so häufig auf die Aktivierung alternativer Gruppen von Arbeitnehmern (z.B. Wiedereinsteiger oder ältere Arbeitnehmer, 20%). Der Inländer-Vorrang, der seit Juli 2018 in Kraft ist, scheint in dieser Studie also keinen Effekt aufzuzeigen, zumal es sich bei den für den Inländer-Vorrang meldepflichtigen Berufsbilder grösstenteils nicht um hoch qualifizierte Fachkräfte handelt.
Quelle und weitere Informationen: Deloitte