Unternehmerisches Risiko für die Nachhaltigkeit

Die Schweiz soll ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können: das gesetzlich verankerte Nett-Null-Ziel. Bei der Realisierung dieser Klimaziele spielen Technologie-Entwickler wie der Industriekonzern Sulzer mit Hauptsitz in Winterthur eine zentrale Rolle.

Der Aufforderung des Green Economy Symposiums, „Gemeinsam mehr Wirkung erzeugen“, kommt Sulzer Chemtech bereits nach. „Das liegt uns am Herzen, und dort wollen wir auch gestalterisch tätig sein“, sagt Uwe Boltersdorf, seit diesem Jahr Divisionsleiter Chemtech der Sulzer AG. (Bild: www.sulzer.com)

Am 11. Swiss Green Economy Symposium hat der Nationalratspräsident Martin Candinas mit seinem Grusswort auf den Punkt gebracht, dass die Chancen der Kreislaufwirtschaft gemeinsam gepackt werden sollten. Und sagt: „Auch die Wirtschaft muss sich vernetzen und nachhaltige Lösungen finden.“ Damit beschrieb er genau die Aufgabe des neuen Divisionsleiters Chemtech der Sulzer AG, Uwe Boltersdorf: der Prozesstechnologie-Anbieter verbindet sich mit Partnern mit dem Willen, auf Trenntechnologie umzustellen– und stösst offenbar weltweit auf Interesse.

Flugreisen und ihre Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette

Rahel Galliker, die Vizedirektorin der BAFU (Bundesamt für Umwelt) sagte, „Würden wir alle so leben wie die Schweiz, dann würden wir drei Mal die Ressourcen der Erde benötigen.“ Damit könnte sie auch den Europarekord der Schweiz angesprochen haben, die mehr als ihre Nachbarn ins Flugzeug steigen. Genau zum Zeitpunkt des Symposiums allerdings führte die Swiss-Airline den sogenannten „Green Tarif“ bei Inlandflügen zwischen Zürich und Genf als zwingend ein. Eine weit zentralere Rolle in der nachhaltigen Luftfahrt spielt die verstärkte Nutzung von Sustainable Aviation Fuel (SAF) – ein neues Geschäftsfeld der Chemtech. „In Malaysia sind wir am Bau einer Produktionsanlage für nachhaltige Flugtreibstoffe und erneuerbaren Diesel beteiligt“, konnte Uwe Boltersdorf melden. Chemtech stellt für Vandeley Ventures ein BioFlux-Technologiepaket bereit. Die hochmoderne Anlage produziert nachhaltige Kraftstoffe mit begrenzten Treibhausgasemissionen unter Verwendung lokal gewonnener, erneuerbarer Rohstoffe. Diese Entwicklung von SAF sei stark regulatorisch getrieben, ergänzte Boltersdorf.

Von Konsumenten getrieben

Überhaupt liegt ein Schwerpunkt mit Biokraftstoff-Anlagen derzeit in Asien. In Taiwan wird ein führender Rohölverarbeiter, die CP Corporation, zum spezialisierten Chemieunternehmen umgebaut. Öl wird dereinst nicht mehr zwingend der Ausgangspunkt der Verarbeitung sein. Den Divisionsleiter stimmt positiv, dass Nachhaltigkeitsthemen auch in den Schwellenländern angekommen sind. Er setzt dabei stets auf die Konsumenten, die mit ihrer Erwartungshaltung Politik und Wirtschaft zum Handeln bewegen.

Investitionen als Treiber für Innovation

Sulzer ist an einer ganzen Reihe von Projekten zur Dekarbonisierung beteiligt. In den Niederlanden hält man neuerdings eine strategische Beteiligung an Fuenix Ecogy, was das Portfolio zur Reduzierung von Kunststoffabfällen vervollständigt. Boltersdorf fügt hinzu: „Wir investieren in Vorleistungen und Partnerunternehmen, denn diese Risiken muss man tragen, damit Nachhaltigkeit durch Technologieentwicklung geschaffen werden kann.“ Dabei setzen die Winterthurer auf Risikoverteilung. „Um die Investitionshürde unserer Partner zu verkleinern und dem Prozess auf den Weg zu helfen, nutzen wir einen Ausgestaltungsspielraum der Lizenzen und Nutzungsrechte an unseren Technologien.“

Ein nicht unwesentlicher Treiber in der Nachfrage nach diesen Prozessen sind die neuen internationalen Regulierungen, die Unternehmen in die Pflicht nehmen. Daher ist der Prozesstechnologie-Anbieter auch offen für Verhandlungen mit Landesregierungen und Stakeholdern der Politik. Nationalratspräsident Candinas sprach denn auch die Erwartungshaltung des Bundes an die Wirtschaftsführer an, die Klimaziele zu erreichen: „Die Nachhaltigkeit wird die Wirtschaftlichkeit und damit die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz steigern.“

Markttrends frühzeitig erkennen

Die Division bewegt sich agil in diesem sich laufend verändernden Markt. „Wir sind in der Lage, neue Trends und Marktanforderungen rasch zu erkennen.“ So kann Boltersdorf sich Chancen in der Verarbeitung von Palmöl und Pflanzenölen in Südamerika ausrechnen, während er in den USA ein Marktpotential für Used-Cooking-Oils ausmacht, also Altspeiseöle als Rohstoffbasis. Etwas weiter am Horizont sieht er Aufbereitungstechnologien für Wasser auftauchen. Die historisch bedingte Entwicklungsfreudigkeit von Sulzer, die sich längst nicht mehr auf Fluid-Engineering beschränkt, dürfte also auch die Nachfragedynamik in diesen Zukunftsmärkten mitbestimmen.

 

    Das Gebot der Stunde nutzen

Die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Prozessen ist derzeit einer der  wichtigsten Treiber der Geschäftsentwicklung der Sulzer Chemtech– ebenso wie internationale Regulierungen, die Unternehmen in die Pflicht nehmen. Wir trafen Uwe Boltersdorf, seit diesem Jahr Divisionsleiter der Chemtech, am Swiss Green Economy Symposium zum Interview.

Chemtech bewegt sich offenbar sehr agil in diesen neuen Märkten. In welchen Emerging Markets spüren Sie Impulse?
Tatsächlich sind wir mit Biokraftstoff-Anlagen derzeit stark in Südostasien aktiv. In dieser Region lassen sich zum Beispiel Palmöl und Pflanzenöle verwerten. Potential sehen wir auch in Südamerika, aber diesen Markt müssen wir erst noch besser verstehen. Wenn wir als Rohstoffbasis die Used-Cooking-Oils angehen, sind auch Märkte wie die USA spannend. Dabei müssen wir unsere Technologie auf kleine Kapazitäten beschränken können, denn die Altspeiseöle sind auf grossen Skalen kaum erhältlich.

Welches sind in diesen Regionen die wichtigsten Treiber?
Ein starker Treiber in den Schwellenländern ist tatsächlich Sustainable Aviation Fuel (SAF). Für eine nachhaltige Luftfahrt spielt die verstärkte Nutzung von SAF eine zentrale Rolle. In Malaysia bauen wir soeben eine Produktionsanlage für nachhaltige Flugtreibstoffe und erneuerbaren Diesel. Diese Entwicklung ist stark regulatorisch getrieben, und die gesamte Wertschöpfungskette passt sich den daraus resultierenden Anforderungen an.

Müsst Ihr für dieses Services noch immer viel Überzeugungsarbeit leisten?
Die Bereitschaft zur Diskussion ist da, denn die Unternehmer spüren den Konsumentendruck immer stärker. Mich stimmt positiv, dass Nachhaltigkeitsthemen auch in den Schwellenländern angekommen sind. Noch vor fünf Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass der Hersteller eines Shampoos auf der Flasche Angaben zum Recycling machen würde. Es sind die Konsumenten, die diese Themen treiben, und dies überträgt sich auf die Erwartungshaltung an den Produzenten, was uns wiederum ermöglicht, neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Man muss verstehen, dass wir zwar einen Push aus der Technologieentwicklung machen können, aber für den Markterfolg brauchen wir stets den Pull von den Konsumenten.

Sie sagten im Expertenpanel am Forum, dass die Anschubfinanzierung der Politik zwar wünschenswert sei, danach jedoch sollten sich die Regierungen heraushalten. Warum?
Es ist zu kurz gegriffen, wenn die Industrie immer nur nach Subventionen verlangt. Neue Märkte zu erschliessen, braucht eine Initialzündung, aber danach ist es die Industrie, die für Wettbewerbsfähigkeit sorgen muss. Aufgabe der Politik ist – und das sage ich mit Überzeugung – für gute Rahmenbedingungen zu sorgen. Dass die Industrieunternehmen dann alleine skalieren, erwarte ich auch von uns selbst.

Allerdings ist euer Geschäftsmodell von Partnern abhängig: Rohstofflieferanten und –verarbeiter müssen mit Technologiegebern zusammenarbeiten, um den Markt zu erschliessen. Fehlt eine dieser Komponenten, kann Sulzer kein belastbares Geschäftsmodell entwickeln. Ist das bei diesen hohen Investitionskosten nicht wirtschaftlich sehr unwägbar?
Als Technologiegeber bringen wir ein Leistungspaket aus Technologie, Garantien und Abwicklungskompetenz ein und bringen die Stakeholder im Projekt zusammen. Am Ende des Tages geht es um Risikoverteilung im Projekt. Um die Investitionshürde unserer Partner zu verkleinern und dem Prozess auf den Weg zu helfen, nutzen wir den Gestaltungsspielraum der Lizenzen und Nutzungsrechte an unseren Technologien.

Die Profitabilität der Division lag letztes Jahr bei knapp 10 %.
Auf Basis dieser Profitabilität können wir Investitionen in neue Technologien tätigen. Klar, wir investieren damit in Vorleistungen, sogar in Partnerunternehmen wie die niederländische Fuenix Ecogy, an der wir nun eine strategische Beteiligung halten. Risiken der Prozessentwicklung und der Forschung müssen wir tragen. Warum? Wenn niemand die Technologie anbietet, kann sich nichts bewegen.

Sie sagten im Vortrag, dass Chemtech ständig neue Lösungen entwickelt. Wenn Sie in Ihre Kristallkugel blicken: welche neue Lösung sehen Sie da?
Wasser wird ein Thema sein, und Aufbereitungstechnologien für hochreine Produkte, sowie bio-basierte Wertschöpfungsketten. Wir müssen mehr über neue Rohstoffe und ihre Verarbeitung nachdenken. Stellt man sich die Frage nach dem am einfachsten verfügbaren Rohstoff, der nachwachsen kann, dann landet man bei Cellulose.

Wenn Sie an einem Symposium wie diesem einen potentiellen Partner oder Kunden antreffen: was ist Ihr Elevator-Pitch?
Chemisches Recyling, biobasierte Verfahren, Dekarbonisierung — we are ready!

 

Quelle: www.sulzer.com

(Visited 129 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema