Wirtschaftsprüfung: Neue Standards, neue Themen und neue Arbeitsformen
Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an der diesjährigen Wirtschaftsprüfungstagung von Expertsuisse – dem Expertenverband für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand – teil. Der aktuelle Stand der Diskussion rund um die Aufgaben, Rollen und das Selbstverständnis der Prüfungsbranche hält viele Chancen bereit. Auf 2023 treten neue Standards der Abschlussprüfung (ordentliche Revision) und auch ein aktualisierter Standard zur Eingeschränkten Revision in Kraft.
Der Wirtschaftsprüfungsberuf wird immer attraktiver und hilft, dass sich die Wirtschaft in Einklang mit Gesellschaft und Umwelt entwickelt. So in etwa lässt sich ein Fazit der diesjährigen Wirtschaftsprüfungstagung ziehen. Darüberhinaus wurde über neue Standards in der Wirtschaftsprüfung orientiert, die ab 2023 in Kraft treten – dies in Verbindung mit den aktualisierten, international kompatiblen Unabhängigkeitsvorgaben. Expertsuisse ist in der Schweiz der Treiber dieser Selbstregulierung. Nicht zuletzt ist die Wirtschaftsprüfungsbranche unverzichtbar für die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Fachverband ist zudem ein wichtiger Impulsgeber in andere Initiativen wie die Weiterentwicklung der Corporate Governance und der Arbeitsformen von Wissensarbeitenden.
Politische Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsprüfung
Die Frühlings- und Sommersession der eidgenössischen Räte hatte einige Themen traktandiert, die die Branche der Wirtschaftsprüfung und deren Arbeit entscheidend betreffen. Das Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses soll verhindern, dass Schuldner das Konkursverfahren dazu missbrauchen können, um sich ihrer Verpflichtungen zu entledigen und so andere Unternehmen zu schädigen und auf unlautere Weise zu konkurrenzieren. Die Parlamentarische Initiative Graber zur Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle sowie die Motion «Digitale Buchführung erleichtern» zeigen, dass sich die Strukturen und die Arbeit rund um die Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung modernen Arbeits- und Lebensformen sowie neuartigen Informationsprozessen anpassen müssen.
Entwicklungen in der Prüfungsbranche Deutschlands
Ein Blick über die Landesgrenze kann helfen, die eigenen Herausforderungen und Themen kritisch zu spiegeln und von der Erfahrung anderer zu profitieren. So hat Expertsuisse Frau Melanie Sack, Stv. Vorstandssprecherin des deutschen Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) als Referentin eingeladen. So verschieden die beiden Jurisdiktionen auch sein mögen, so lautet das Credo der deutschen Berufskolleginnen und -kollegen – «Wirtschaft braucht Vertrauen» – doch sehr ähnlich wie das Schweizer Pendant «Wirtschaftsprüfung schafft Vertrauen – Vertrauen bewegt». Auch die Nachhaltigkeitsthematik wird in Deutschland und der Schweiz als Chance für die Nachwuchsförderung in der Prüfungsbranche und für die Wirtschaft betrachtet.
Neue Standards im Bereich Nachhaltigkeit
Für Investoren spielen nicht-finanzielle Faktoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Environment, Social and Governance [ESG]) eine zentrale Rolle bei Investitionsentscheidungen. Ebenfalls nehmen die Erwartungshaltungen vielerorts zu, Nachhaltigkeitskriterien in der Führungsarbeit – von Unternehmensstrategie bis hin zur Berichterstattung – zu berücksichtigen. Im April 2021 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht, die die Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) von 2014 ersetzen soll. Die Richtlinie soll bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt und erste Offenlegungsstandards sollten bis am 31. Oktober 2022 verabschiedet werden. Grosse und kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen also bereits das Berichtsjahr 2023 nach CSRD offenlegen. Der Zeitplan scheint sich allerdings nach hinten zu verschieben, sowohl der Schattenberichterstatter als auch der Europäische Rat schlagen eine verzögerte Einführung vor. Diese Entwicklungen in der EU werden gemäss dem Direktor von Expertsuisse, Dr. Marius Klauser, über die nächsten Jahre auch in der Schweiz relevant: „Über multinationale Unternehmen werden Mutter-/Tochtergesellschaften in der Schweiz analog EU-Vorgabe über Nachhaltigkeitsbelange berichten und diese Berichte wohl vermehrt auch freiwillig prüfen lassen. Über die Lieferketten-Vernetzung in der Schweiz, wird dieses Thema dann auch im KMU-Segment ankommen.“
Neuigkeiten bei Expertsuisse
Im Rahmen der Wirtschaftsprüfungstagung wurde der langjährige Fachbereichspräsident von Expertsuisse, Martin Nay (BDO), mit grossem Dank verabschiedet. Alessandro Miolo (Deloitte) wird sein Nachfolger in dieser wichtigen Expertsuisse-Funktion sein. Auch die Nachwuchsförderung erhält dank Expertsuisse einen neuen Impuls: Ab 2023 wird die Wirtschaftsprüfungsausbildung in komplett neuer Form erfolgen. Es werden vermehrt Digital- und Nachhaltigkeitskompetenzen vermittelt und dies in einer digitaleren Art und Weise – flexibel, wirksam und zukunftsweisend.
Quelle und weitere Informationen: Expertsuisse